Wenn ich mal eine Reise tu…
„London. London wird’s!“ Mit diesen Worten lag mir die holde Weiblichkeit in den Ohren. Fein, mit dieser Entscheidung kann ich leben. Und so stand das Ziel unseres diesjährigen Urlaubes fest – die Hauptstadt Großbritanniens sollte es sein. Tradition bei uns: jeder darf ein besonderes Ziel der Reise bestimmen. So stand Madame Tussaud’s auf dem Programm und das 5.000 Jahre alte Bauwerk von Stonehenge. Für mein Ziel musste ich nicht lange überlegen. Greenwich. Das Observatorium! Unbedingt!
Gesagt – getan. Man begegnet den für Nautiker, Meteorologen und (Hobby)Astronomen sehr besonderen Ort immer wieder in dieser 10-Millionen Metropole. Schon am ersten Abend liefen wir auf unserem Heimweg vom Shoppen auf dem Gehweg über eine unscheinbare Bodenplatte, deren Bedeutung mir sofort klar wurde.
Bereits am ersten vollen Tag unseres Trips fuhren wir auf der Themse stromabwärts. Am Dock von Greenwich angelegt begaben wir uns auf einen 10 minütigen Marsch vorbei am Naval Museum durch den weitläufigen Park in Richtung der einzigen Erhebung weit und breit. Hinweisschilder verrieten uns den Weg zum Ziel: dem Royal Greenwich Observatory.
Dem Ort, an dem die geografische Unterteilung unseres Planeten in Form der Längengrade festgelegt wurde. Dem Ort, der die Greenwich Mean Time (GMT), also die zentrale Zeitzone festlegt. Mehr Gründe braucht man einfach nicht. Auf dem Hügel angekommen zeigte sich Greenwich und der dahinterliegende Financial District of London von seiner schönsten Seite.
Wenn man vor dem Hauptgebäude steht, bekommt man schon etwas Ehrfurcht ob der Tradition und der Bedeutung dieses Ortes. Ein Umstand, der einem immer wieder in dieser Metropole widerfährt. Aber es gibt schlimmeres. Hier der Eingang des Observatoriums:
In der Kuppel sind übrigens immer noch Instrumente und dort wird immer noch Astronomie betrieben. Man bahnt sich seinen Weg durch den Rundgang, verlässt das Eingangsgebäude, biegt nichtsahnend und Maulaffen feil haltend um die Kurve und steht… ja, wovor steht man da? Moment, das Teil kenne ich. Das ist… das ist… DAS IST! Und fürwahr und Hosianna, es ist das letzte existierende Teil des legendären 12m Newtons von Wilhelm Herschel. Einfach so! Steht da und sagt nix! Ich konnte mein Glück kaum fassen. Die meisten der Besucher schauten hin und waren gleich wieder um die Ecke verschwunden. Ich berührte den Tubus ehrfürchtig, ja fast zärtlich. Ist es nur noch ein Fragment einer unglaublichen technischen Leistung am Ende des 18. Jahrhunderts, so hat es nichts von seiner Faszination verloren. Ich habe aus illustratorischen Gründen eine zeitgenössische Zeichnung des Originalteleskopes beigefügt. Da wird einem die Dimension eher klar.
Auf der daneben stehenden Informationstafel werden einem Infos zu diesem besonderen Objekt gegeben. Hier der Inhalt:
Gleich hinter dem Teleskop gelangt man über eine Treppe in den alten Trakt der Lokation. Bereits im Erdgeschoss sieht man die authentischen und originalgetreuen Räume der damaligen Zeit. Man taucht ein in die Faszination der Zeit, in der bahnbrechendes und für uns heute selbstverständliches entdeckt wurde. Als Beispiel sei hier die Entdeckung der Planeten Uranus und Neptun genannt. Hier ein Arbeitszimmer:
Nobel waren und sind sie ja, unsere Vettern von der Insel. Dies zeigt sich nicht zuletzt im Schlafzimmer der Sternwarte. Mir deucht, ich brauche einen Erweiterungstrakt meines Observatoriums nach dem Greenwich Vorbild:
Eine Etage höher befindet sich der ursprüngliche und achteckige Beobachtungsraum. Das Auge zielt umgehend auf einen Refraktor ältester Bauart, dessen Befestigung und Montierung mein linkes Augenlid zucken liess. Während man heute von azimutalen oder parallaktischen Montierungen nebst automatischer Nachführung verwöhnt ist, haben unsere Ahnen ihre Geräte kurzerhand auf eine Art Leiter gelegt, um es einigermassen zu stabilisieren. Man stelle sich das begrenzte Zeitfenster vor, das man hatte. Für ein paar Sekunden jeden Abend hatte man das Objekt seiner Begierde im Okular – da es schnell wieder auswanderte und man auf die nächste freie Beobachtungsnacht hoffen musste. Bitte nicht vergessen: wir reden hier von London mit seinem Wetter mitsamt der begrenzt verfügbaren klaren Nächte und nicht von der Atacama Wüste.
Gleich dahinter war ein riesiger Sextant, mit dessen Hilfe man durch den Winkel eines Gestirns zum Horizont messen und somit den Himmel kartographieren konnte. Gut für unsere Astronomen: die Jungs von vom Naval College waren gleich um die Ecke und konnten helfen…
Es ging wieder runter ins Erdgeschoss, in dem eine Ausstellung zum Thema Zeit gezeigt wird. Dann ist man im Innenhof und reibt sich die Augen. Was bei Durins Bart… warum stehen hier so viele Leute – vornehmlich junge Asiatinnen – im perfekten Halbkreis für irgendetwas an? Beim Teutates klar doch, da muss er sein, der Nullmeridian. Der Ort, der längengradtechnisch die Erde in Ost und West aufteilt. Natürlich brauchts da ein Foto. Und da man sich ja ans Schlange stehen gewöhnt hat, macht man mit. ‚Türlich! Warum machen die Besucher aus fernen Ländern eigentlich immer grinsend das Peace-Zeichen wenn sie abgelichtet werden? *schulterzuck* mir egal. Aber sich in aller Seelenruhe im Schnitt 5 mal fotografieren lassen, stehend, Vollprofil, Halbprofil, hockend, sitzend, springend, seinen Namen klatschend, das versteh wer will, ich nicht. I bin ja von jeher tolerant… und so…
Ha! Kaum wartet man ne Stunde – schon ist man selber auch dran. Die Choreographie steht fest. Man hatte ja ne Stunde Zeit. Kreativ will man sein. Mhmmmm. Besonders solls sein. Ahja. Warum fällt mir Pfeife nix besseres als Al Bundy ein in der Episode, in der er mit seiner Familie in England Urlaub macht? Wo er nach Unter-Uncton gebracht wird um einen Fluch mittels Ableben seiner Person zu beenden? Ich weiss es nicht. Ich weiss es einfach nicht.
Den Wartenden hats gefallen. Es dünket mir jedoch, daß sie meine Pose schier verwechselt haben mit einem schnellen Jamaikaner. Ha! Keine Kultur das Volk! Der Name ist Bundy. Al Bundy.
Dennoch ergab sich die Gelegenheit, diesen besonderen Ort ohne die zahlreichen Besucher ablichten zu können.
Das malerische Greenwich hatte sich von seiner besten Seite gezeigt. Ich bin sehr dankbar, daß das Wetter mitspielte und wir diesen besonderen Tag an einem besonderen Ort erleben durften. Zu Ehren des Royal Greenwich Observatory habe ich in meinem PSO eine Greenwich Corner eingerichtet, in der jeder neue Gast mit zwei Glockenschlägen empfangen wird.
Ich kann jedem, der nach London reist, einen Abstecher in diesen ruhigen, malerischen und interessanten Teil der Stadt nur wärmstens ans Herz legen. Selbst wenn man nicht allzuviel mit Astronomie zu tun hat bietet Greenwich für jeden etwas. Klar, es war ja auch mein besonderes Ziel!
Thank you London, thank you Greenwich. You have got a friend in me!